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Thomas Bochtler und Tagespraktikantin Silke Ulrich installieren das Verteilersystems einer Fußbodenheizung.

Blick hinter die Kulissen

Pressemitteilung | ERLANGEN, 07. Februar 2022

Ein Tag als Praktikantin beim „Greuther Schmied“

Welche Möglichkeiten und Grenzen gibt es für inklusive Arbeitsplätze im Handwerk? Dieser Frage ging Inklusionsberaterin Silke Ulrich im November während eines Praktikumstags beim „Greuther Schmied“ Thomas Bochtler nach und machte sich ein Bild vom Betrieb, den vielfältigen Tätigkeiten und Anforderungen sowie den Herausforderungen für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.

Am Morgen des 07. Oktober 2021 fand auf Einladung von Landrat Alexander Tritthart das Wirtschaftsgespräch für Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt in Gremsdorf statt. Das Access-Team stellte das Inklusionsprojekt LAUT vor und lud dazu ein, sich in Tischgesprächen zu den Themen „Jobcarving“ und „Inklusion“ auszutauschen. Wie können inklusive Arbeitsplätze geschaffen werden, indem man in neuen Bahnen denkt und Jobs „schnitzt“, die zu den Fähigkeiten von Mitarbeitenden passen? Im Projekt LAUT werden dabei nicht nur Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen unterstützt, sondern auch Arbeitgebende beim Aufbau inklusiver Strukturen beraten. Es gehört dabei für die Inklusionsberater*innen dazu, sich ein genaues Bild der Betriebe sowie der vorhandenen und möglichen Tätigkeiten zu machen. „Als Sozialpädagogin kann ich natürlich nicht alle Berufe kennen. Trotzdem habe ich bestimmte Vorstellungen von den Tätigkeiten, die vielleicht mit der Praxis nicht unbedingt übereinstimmen müssen“, so Inklusionsberaterin Silke Ulrich. „Wir freuen uns daher über Einladungen, um uns vor Ort ein Bild zu machen. Gerne kommen wir dafür zu Ihnen in den Betrieb!“

Thomas Bochtler, bekannt als „Der Greuther Schmied“ und u.a. Obermeister der Metallbauerinnung Erlangen-Höchstadt, ließ sich das nicht zweimal sagen und lud Ulrich kurzerhand zu einem Praktikumstag in seinen Betrieb ein. Am 15. November 2021 war es dann soweit für den Blick hinter die Kulissen eines kleinen, alteingesessenen Handwerksbetriebs. Der Tag begann für die Inklusionsberaterin mit einer Betriebsführung, der Vorstellung bei den Kollegen sowie der Aufgabenabsprache im Team. Besonders beeindruckt zeigte sich Ulrich über die Vielfalt der Tätigkeitsbereiche: Neben dem Metallbau von Toren, Geländern und Überdachungen zählen Heizungs- und Sanitärinstallation sowie Verkauf und Reparatur von Landwirtschafts- und Gartengeräten. Erstes Fazit: „Wow! Hier gibt es viele verschiedene Arbeitsmöglichkeiten – man muss bei so einem kleinen Team dann aber auch flexibel und ein bisschen Allrounder sein!“

Belastbarkeit und Verlässlichkeit gefragt

Dann ging es mit Chef Bochtler los auf die Baustelle. Der Arbeitsauftrag für den Rohbau lautete Installation eines Verteilersystems für eine Fußbodenheizung sowie verschiedene Sanitärinstallationen. Schon bei der Fahrt erfolgte ein intensiver Austausch zu den Möglichkeiten und Grenzen inklusiver Arbeitsplätze bei einem kleinen Handwerksbetrieb auf dem Land. Der Umgang mit gesundheitlichen Einschränkungen bei Mitarbeitenden ergibt sich für Arbeitgebende fast automatisch. Laut Statistischem Bundesamt werden etwa 89% der Behinderungen durch Krankheiten verursacht. Herzkreislauferkrankungen oder orthopädische Probleme sind gerade bei handwerklichen, körperlich fordernden Berufen irgendwann ein Thema. „Natürlich versuchen wir, die Arbeiten so zu verteilen, dass jemand das körperlich auch schaffen kann. Außerdem packen alle mit an und unterstützen sich gegenseitig“, so Bochtler. Allerdings gebe es durch die Größe des Betriebs und bestimmte Abläufe wenig Spielräume. Teilzeittätigkeiten wären schwer möglich, da die Einsätze so geplant seien, dass über den Tag auch unterschiedliche Baustellen mit den Firmenfahrzeugen angefahren würden. Außerdem würde eigentlich immer jede Hand gebraucht. Eine gewisse körperliche Belastbarkeit über die Dauer eines Arbeitstages müsse also schon gegeben sein. Ulrich konnte sich auf der Baustelle davon selbst ein Bild machen: Material und schwere Werkzeugkästen mussten transportiert werden, wobei man über den Tag verteilt durchaus Kilometer mache, so Bochtler.

Außerdem sprach Inklusionsberaterin Ulrich mit dem „Greuther Schmied“ über Inklusionsmöglichkeiten für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Wichtig seien für ihn vorrangig handwerkliches Geschick sowie Verlässlichkeit. Gerade bei einem kleinen Betrieb müsse er Verantwortung auf Mitarbeitende übertragen können, da das Team sich auf verschiedene Baustellen aufteilt. Bochtler betonte, dass eine offene Kommunikation über die psychischen Belastungen notwendig sei. So könne man besser darauf eingehen, was man bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen beachten müsse. Ulrich stimmte zu: „Nur so kann man für beide Seiten eine zufriedenstellende Lösung finden. Ich verstehe aber auch, dass Arbeitgeber hier Unterstützung brauchen, wenn sie einem Mitarbeiter weiterhelfen möchten.“ Dafür gibt es den Bereich der Arbeitgeberberatung im Projekt LAUT.

Arbeit, die stolz macht

Metallbauer Bochtler und Inklusionsberaterin Ulrich kamen beim gemeinsamen Arbeiten auch darüber ins Gespräch, welchen Stellenwert Arbeit in unserer Gesellschaft hat und wie wichtig sie für jeden Einzelnen ist. So betonte Ulrich, dass Arbeit ein wesentliches Element gesellschaftlicher Teilhabe darstellt, von dem allerdings viele Menschen mit Behinderung ausgeschlossen sind. „Viele unserer Kunden haben gesundheitliche Einschränkungen und beziehen schon seit längerer Zeit Hartz IV. Sie wollen unbedingt arbeiten und teilhaben, brauchen aber jemanden, der ihnen eine Chance gibt und ihre Fähigkeiten sieht“, so Ulrich. Dass Arbeit auch zur persönlichen Zufriedenheit beitragen kann, bestätigte Bochtler und brach eine Lanze für das Handwerk: „Man sieht einfach schnell das Ergebnis seiner Arbeit und es macht mich stolz, wenn ich an einem Haus vorbeikomme und ein Geländer sehe, das ich vor vielen Jahren montiert habe.“

Fazit des Praktikumstages von Inklusionsberaterin Silke Ulrich: „Das Handwerk fordert einen zwar körperlich, das Schöne ist aber, dass es abwechslungsreich ist und man das Ergebnis seiner Arbeit schnell sieht. Die Herausforderungen für kleinere Betriebe, Fachkräfte zu gewinnen oder zu halten, wenn es gesundheitliche Probleme gibt, sind groß. Ich bin aber weiterhin überzeugt, dass es gemeinsam gelingen kann, Lösungen für die Zukunft zu finden.“

 

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